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Vegane Ernährung in Schwangerschaft und Stillzeit

 

Foto: Veganerin beim Stillen

 

Die WHO fordert in ihren 2004 veröffentlichten Empfehlungen für die Ernährung gestillter Säuglinge und Kleinkinder: „Stillen nach Bedarf sollte mindestens bis zum zweiten Geburtstag fortgesetzt werden, da Muttermilch weiterhin eine wichtige Quelle für viele Nährstoffe ist. Muttermilch ist während Erkrankungen des Kindes besonders wichtig, wenn das Kind das Essen verweigert, nicht aber die Brust. Stillen schützt in diesen Phasen vor einer Austrocknung und bietet die notwendigen Nährstoffe für die Genesung. Weiterhin wurde eine längere Stilldauer mit einem geringeren Risiko chronischer Erkrankungen und Übergewicht im Kindesalter und mit verbesserten kognitiven Leistungen in Verbindung gebracht.“

 

Die von WHO und UNICEF gemeinsam erarbeitete Innocenti Declaration von 2005 schließt sich dem an: „Stillen ist ein einzigartiger Prozess, der die idealen Nährstoffe für Kinder liefert, und zu gesundem Wachstum und gesunder Entwicklung beiträgt. Stillen reduziert die Häufigkeit und Ernsthaftigkeit infektiöser Erkrankungen, senkt dadurch die Krankheitsziffer und Kindersterblichkeit, leistet einen Beitrag zur Gesundheit der Frauen, indem es das Risiko von Brust- und Gebärmutterkrebs reduziert und indem es die Abstände zwischen den Schwangerschaften vergrößert.“

Leider müssen die meisten Mütter immer wieder die Erfahrung machen, dass viele Kinderärzte über die Richtlinien der WHO nicht im Bilde sind. Das Schreckgespenst der ausgezehrten Mutter, die an Mangelerscheinungen leidet, geht immer noch um. „Jedes Kind kostet dich einen Zahn“, so heißt es immer wieder – eine Annahme, die noch aus Kriegszeiten stammt und nur zutrifft, wenn die Mutter trotz Mangelernährung, wie etwa in so genannten Dritte-Welt-Ländern, langjährig stillt, oder wenn schwerwiegende Resorptionsstörungen im Darm vorliegen.

Ganz im Gegensatz zu diesen weit verbreiteten Ängsten beweist die Stillforschung, dass die Mutter gesundheitlich vom Stillen profitiert. Sogar das Osteoporoserisiko wird signifikant durch das Stillen gesenkt – immerhin eine Erkrankung, die eigentlich auf Kalziummangel zurückzuführen ist (Lawrence 2005, Work Group on Breastfeeding 1997). Ursache für dieses erstaunliche Ergebnis: Der Stoffwechsel der Mutter arbeitet während der Stillzeit und während der anschließenden „Auffüllphase“ effektiver (Illingworth 1980). Für Kalzium steigt die Resorptionsfähigkeit des Darms von 33% auf 53% (Zimmermann 2003).

 

Dennoch werden immer noch, auch gerade von ärztlicher Seite, viele Mütter zu einem frühen Abstillen gedrängt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht davon aus, das etwa die Hälfte aller Mütter zu früh abstillt und zu früh mit der Fütterung von Beikost beginnt. Besonders die Angst vor Eisenmangel ist in vielen Köpfen präsent, obwohl die Bioverfügbarkeit des in der Muttermilch enthaltenen Eisens höher ist als die von Fleisch. Wenn diese Ängste schon bei omnivoren Müttern ihr Unwesen treiben, so kann man sich denken, dass eine vegane Mutter beim Kinderarzt nur auf wenig Verständnis stößt. Vielfach ist in der Stillberatung zu hören, dass von veganer Ernährung dringend abgeraten wird.

Dringend erforderlich ist jedoch nicht die Abkehr von veganer Ernähgung, sondern ein Umdenken in der Stillberatung sowie bei allem medizinischen Personal, das stillende Mütter berät. Bei einer prognostizierten Weltbevölkerung von 9 Milliarden Menschen bis 2050 ist der totale Kollaps unseres globalen Ökosystems nicht zu verhindern, wenn alle Menschen die hierzulande verbreiteten Empfehlungen zu regelmäßigem Fleischkonsum befolgen. Das World Watch Institute geht inzwischen davon aus, dass über 50% der globalen Treibhausemissionen auf die Nutztierhaltung zurückgehen. Dennoch steigt der weltweite Fleischkonsum weiter an. Darüber hinaus betreffen die ökologischen Schäden durch die Massen- und Intensivtierhaltung auch die weltweite Trinkwasserversorgung, die mehr als kritisch ist.

Abgesehen von diesem ökologischen Desaster verursacht das westliche Modell des frühen Abstillens, um stattdessen artfremde Kuhmilch an die eigenen Kinder zu verfüttern, Traumata auf beiden Seiten – bei Mensch und Tier. Einfühlungsvermögen gegenüber dem Leid eines Kälbchens, das von seiner Mutter getrennt wird, damit Menschenkinder die für das Kalb vorgesehene Milch trinken können, ist in unserer Kultur kaum vorhanden. Für die eigene Art gilt hier jedoch dasselbe: Das Trauma eines plötzlichen Abstillens wird offenbar unterschätzt.

Eine vegane Mutter findet auch in allgemeinen Ernährungsratgebern nur wenig Hilfe. Umso wichtiger ist es in dieser Situation, unabhängige Forschung zu betrachten, um einer veganen Mutter möglichst gesicherte Informationen an die Hand zu geben.

 

 

 

Wissenschaftliche Untersuchungen:

 

Eisen:

  • Der Eisengehalt der Muttermilch wird durch die Eisenaufnahme der Mutter nicht beeinflusst (Vuori, 1980).

  • Der Eisengehalt der Muttermilch ist zwar gering, wird aber gut aufgenommen (49% Aufnahme im Gegensatz zu 10% Aufnahme des Eisens bei Kuhmilch und 4% bei mit Eisen angereicherter Flaschennahrung).

  • Mit Kuhmilch ernährte Babys können Eisen durch den Darm verlieren, da Kuhmilch Fissuren (Blutungen) in der Darmwand hervorruft (Woodruff, 1977). Babys, die sieben Monate und länger ausschließlich gestillt wurden, wiesen höhere Hämoglobinwerte auf als Babys, die bereits vor sieben Monaten feste Nahrung bekommen hatten (Pisacane, 1995).

  • Kuhmilch setzt die Aufnahme des Eisens aus anderen Nahrungsmitteln herab, kann versteckten Blutverlust bei Säuglingen verursachen und darf im ersten Lebensjahr kein Bestandteil der Säuglingsernährung sein. Das gilt auch für Butter, in der Kuhmilchproteine enthalten sein können.

- Durch gleichzeitige Aufnahme Vitamin-C-haltiger Lebensmittel verdreifacht sich die Eisenaufnahme. Das ist für die vegane Ernährung von Kleinkindern in der Übergangsphase zu fester Nahrung und für die Eisenversorgung der Mutter besonders wichtig.

- Auf Grund der hoch allergenen Wirkung sollten übrigens auch Eier nicht vor dem ersten Geburtstag gegeben werden.

 

 

Vitamin B12

  • Zur häufig diskutierten Frage nach dem Vitamin B12 lautet die Antwort, dass Vitamin B12 in der Schwangerschaft und besonders in den ersten Monaten der Stillzeit bei veganer Ernährung durch die Mutter substituiert werden muss (d.h. die Mutter nimmt Vitamin B12 ein). Die Folgen eines Vitamin-B12-Mangels in den ersten Lebensmonaten sind, anders als bei Erwachsenen, schwerwiegend und irreversibel.

  • Immer noch findet sich auf bestimmten pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln wie Spirulina oder Fermentgetreide der Hinweis: Enthält Vitamin B12. Es ist inzwischen jedoch erwiesen, dass in diesen Nahrungsmitteln nur so genannte Doppelgängerverbindungen enthalten sind, die die Fähigkeit des Körpers, das echte Vitamin B12 aufzunehmen, sogar herabsetzen können.

 

Vitamin D

  • Unabhängig von der Ernährungsweise wird den meisten Eltern schon im Krankenhaus nahe gelegt, Vitamin D zu substituieren. Wer darauf verzichten möchte, sollte wissen: Im Sommer ist es ausreichend, sich regelmäßig mit wenigstens teilweise unbekleideter Haut im Freien aufzuhalten. Dazu muss man nicht um die Mittagszeit in der prallen Sonne liegen, auch die Spätnachmittagssonne ist ausreichend, und niemand braucht bei Kindern einen Sonnenbrand zu riskieren. Die Kinder sollten sich allerdings täglich eine Zeitlang ohne Sonnencreme im Freien aufhalten. Im Winter gilt: Zwischen Oktober und Februar/März reicht in Ländern oberhalb des 52. nördlichen Breitengrades (so wie in Norddeutschland) die Wellenlänge des Lichtes nicht aus. Dann sollte Vitamin D substituiert werden. Um die Dosierung nicht zu hoch zu treiben (überschüssige Vitamin-D-Substitution kann im Körper nicht abgebaut werden), sollte berücksichtigt werden, dass viele vegane Lebensmittel wie Sojamilch etc. vom Hersteller bereits mit künstlichem Vitamin D angereichert wurden. Also: Am besten die Zutatenliste lesen.

 

Gestillt zu werden bezeichnen WHO und Unicef als „das Recht eines jeden Kindes“. Ein Recht, von dem auch Tierkinder nicht ausgenommen werden sollten. Für alle Eltern, die sich selbst und ihre Kinder vegan ernähren möchten, ist eine gründliche Lektüre von Gill Langleys „Vegane Ernährung“ sehr hilfreich. Aus diesem Buch stammt das nachfolgende Zitat:

 

„Kuhmilch kann keinen berechtigten Anspruch erheben, ein perfektes Nahrungsmittel zu sein. Als Nahrungsmittel ruft sie bei Säuglingen Allergien hervor, führt bei älteren Kindern und Erwachsenen zu Durchfall und Krämpfen, und kann außerdem zur Entstehung von Herz- und Schlaganfällen beitragen. Wenn die Öffentlichkeit erst einmal über die der Milch innewohnenden Risiken informiert ist, werden vielleicht endlich nur noch die Kälber die ihnen zustehende Nahrung trinken. Denn nur Kälber sollten Kuhmilch trinken.“

Dr. Frank Oski, Professor für Pädiatrie und ehemaliger Präsident der US Society for Pediatric Research, 1983

 

 

Übersicht: Ernährung veganer Kinder aus „Vegane Ernährung“ von Gill Langely

  • Führen Sie die zur Umstellung verwendeten Nahrungsmittel schrittweise ein, während Sie gleichzeitig noch Muttermilch geben.

  • Kinder brauchen viel Energie (Kalorien). Selbst gemachte Cerealien sollten als dicker Brei gereicht werden, nicht jedoch in Form von dünnem Haferschleim. Ein wenig pflanzliches Öl erhöht den Kaloriengehalt des gekochten Getreidebreies und macht ihn schmackhafter, da er beim Abkühlen nicht so klebrig wird.

  • Verwenden Sie mehr Soja- oder Rapsöl und dafür weniger Sonnenblumen-, Saflor- oder Maisöl. Soja- und Rapsöl können die Produktion von Fettsäuren fördern, die für die Entwicklung des Hirns und der Sehkraft sehr wichtig sind.

  • Geben Sie Kleinkindern vor den Mahlzeiten nicht zu viel Flüssigkeit [Anmerkung: Neuere Studien haben ergeben, dass Trinken nach Bedarf bzw. nach Durstgefühl sowohl für die stillende Mutter als auch für Kinder das Beste ist (WirbelWind 05/2008).]

  • Das Besteichen von Brot mit Margarine (wenn möglich angereichert mit den Vitaminen D2 oder B12) oder mit Tahin oder feiner Erdnussbutter erhöht den Energiegehalt des Brotes.

  • Salzarmer Hefeextrakt ist ein ergiebiger Mineralstoff- und Vitaminlieferant

  • Gargekochte und zerdrückte Hülsenfrüchte liefern Energie und Eiweiß.

  • Geben Sie dem Kind in jedem Fall mit Vitamin B12 angereicherte Nahrungsmittel.

  • Um die Eisen- und Calciumzufuhr zu erhöhen, verwenden Sie schwarze Melasse.

  • Mit calciumhaltigem Salz (in der Regel Calciumsulphat – siehe Etikett) zubereiteter Tofu (Sojaquark) enthält mehr Calcium als Kuhmilch und ist außerdem sehr eiweißreich. Grünes Blattgemüse (außer Spinat) ist ebenfalls ein guter Calciumlieferant.

  • Sojamehl, Weizenkeime, Hirse, gemahlene Mandeln, Vollkornbrot, getrocknete Feigen und getrocknete Aprikosen sind besonders gute Eisenquellen. Getrocknete Früchte können in etwas Wasser eingeweicht werden und gründlich zerdrückt oder verflüssigt werden, um einen dicken Brei zu erhalten.

  • Zur Verbesserung der Eisenaufnahme mischen Sie jeder Mahlzeit Zitrusfrüchte, Kartoffeln, grünes Blattgemüse oder Tomaten bei.

  • Stellen Sie sicher, dass Ihr Kind regelmäßig an der frischen Luft ist (nicht voll bekleidet und nicht zur heißesten Tageszeit in der direkten Sonne). Auf diese Weise gewähren Sie eine ausreichende Vitamin-D-Zufuhr. Geben Sie im Winter angereicherte Nahrungsmittel oder einen Vitamin-D2-Zusatz.

  • Verwenden Sie Sojamilch, die mit Calcium und den Vitaminen B12 und D2 angereichert wurde.

Aus: Langley, Gill 2005.

 

Literaturverzeichnis:

Langley, Gill: Vegane Ernährung, Göttingen 1999, Nachdruck von 2005.

Mohrbacher, Nancy und Stock, Julie: Handbuch für die Stillberatung, München 2002.

Ärztezeitung online, 4. Oktober 2006

http://www.who.int/child_adolescent_health/documents/a85622/en/index.html

http://innocenti15.net/declaration.pdf.pdf

http://www.vegansociety.com/uploadedFiles/References_and_Resources/Global%20Food%20Security.pdf

http://www.zeit.de/2010/33/index

Außerdem empfehlenswert:

Goldner, Bettina: Umweltfreundlich Vegetarisch, Weil der Stadt 2009.

Anmerkung:

Verwenden Sie Informationen dieser Webseite nicht als alleinige Grundlage für gesundheitsbezogene Entscheidungen. Fragen Sie bei gesundheitlichen Beschwerden Ihren Arzt oder Apotheker. 

Die Artikel dieser Webseite unterliegen keiner ständigen Kontrolle. Auch wenn zahlreiche Teilnehmer_innen ständig an ihrer Verbesserung arbeiten, können Beiträge falsch sein und möglicherweise gesundheitsgefährdende Empfehlungen enthalten.

Nehmen Sie Medikamente nicht ohne Absprache mit einem Arzt oder Apotheker ein.

 

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